Ich hab mich vor knapp zwei Jahren für Tübingen entschieden. Im ersten und zweiten Semester war ich mit der Entscheidung auch noch zufrieden. Mittlerweile würde ich mich nicht mehr für diesen Standort entscheiden.
Man kann hier sowohl zum Winter- als auch zum Sommersemester anfangen. Das Sommersemester hat den ungemeinen Vorteil, dass man dort auch mit nem schlechteren Abischnitt gut rein kommt. In meinem Semester hatte der schlechteste einen Schnitt von 3,4. Damit komm ich dann auch gleich zum Nachteil dieser Situation: man wird als Sommersemester von vielen Professoren und Doktoren nicht gemocht, weil man eben in der Regel einen schlechteren Abischnitt hat als die, die im Wintersemester starten. Das ist so ein stilles Geheimnis, man bekommt es leider aber immer wieder zu spüren (schwerere Klausuren, schlechtere Vorlesungen -hab den Unterschied miterlebt, als ich mir eine Vorlesung zum zweiten mal angehört hab gabs wesentlich ausführlichere Informationen).
Viele Klausuren sind so ausgelegt, dass man sie gerade so besteht, da vieles Abgefragt wird, was so nicht unterrichtet wird. Klar gibt es immer und überall Aufgaben, bei denen man das Gelernte übertragen muss, aber ich denke bei uns sprechen die Durfallquoten bände (Mathe 1.Semster, erster Versuch: < 20% bestehen; 2.Semester OC, beide Versuche: 7 von ca.50 kommen weiter).
Man hört immer wieder "Seit doch froh, dass ihr bestanden habt!". Ja klar bin ich da froh, aber wenn keiner in AFL ne 3,7 schafft, dann macht mir das nicht so viel Hoffnung, dass ich das bestehe.
Allgemein kann man auch eher eine Anti-Student-Tendenz feststellen. Wirklichen Kontakt zu Professoren und Doktoranden haben eher wenige. Selbst wenn man höflich grüßt, wird oft der Blick abgewendet.
Natürlich gibt es auch hilfsbereite Institutsmitarbeiter, die sich freuen, wenn man mit ner Frage an sie herantritt. Aber man bekommt das Gefühl, das die immer rarer gestreut sind.
Unter den Professoren und Doktoren herrscht auch oft zwist, viele mögen sich nicht und tragen das dann über den Köpfen der Studenten aus.
Bsp 1: mein Chemie-Dozent aus dem 2. Semester wurde 2 Wochen vor der Klausur rausgeworfen (weil er Nachhilfe in einem fremden Fach gegeben hat) und der neue Professor fürs 1. Semester sollte unsere Klausur betreuen.
Der Chemie-Dozent hat die Klausur auf dem Server hinterlassen, der Professor hat sie aber angeblich nicht finden können und somit einfach seine eigene Klausur gestellt (Durchfallquote 50% -es hätte ne Quali-Laborklausur sein sollen, zum Labor wurde aber eher weniger gefragt, obwohl wir dem Professor unsere Aufschriebe überlassen haben, damit er weiß, was wir thematisch abgedeckt hatten).
Wer Schuld hat oder nicht, weiß keiner, ist im Grunde auch egal. Aber ich denke in solchen Fällen ist mehr Professionalität gefragt.
Bsp 2: In meinem ersten Semester fing die allgemeine Chemie mit einigen Wochen Verzögerung an, da unser Professor wegen einer OP am Fuß ausfiel (verständlich und vertretbar). Dann war er ca. 5 Wochen da und tauchte dann einfach nicht mehr auf. So richtig informiert hat uns zunächst keiner. Erst auf Nachfrage bei ihm kam raus, dass er sich bereits wieder wegen seines Fußes im Krankenhaus befand. Einen Ersatz haben wir nie bekommen.
Zur Laborausstattung:
Aus den 70ern und könnte durchaus mal wieder modernisiert werden. Zumindest, was das 1. und 2. Semsterlabor angeht. Von höheren Semestern hab ich allerdings gehört, dass es mit jedem Semester besser wird.
Ausgelegt ist es angeblich für 72 Personen, aber mit 60 ist es grad noch so in Ordnung. Ich hab im 2. Semester (Quali,Quanti) dort mit 73 gestanden. Zu sechst in einer Reihe bleiben einem genau 3 Fliesen zum arbeiten.
Sicherheit: so einen roten "Not-aus-Knopf" den man sonst aus Laboren kennt, der alles ausschaltet (Gas, Strom, etc) gibt es nicht. Möchte man den Gashahn für die gesamte Reihe abdrehen, muss man unter dem Abzug in den Schrank klettern und im dunkeln, hinter den Rohren das grüne Ventil von dem Schwarzen und dem Blauen unterscheiden.
Wenn man mal Praktika in anderen Instituten hatte (PC, Mitkrobio), dann merkt man erst, wie alt das Labor der Pharmazie ist.
Es gibt noch viele Kleinigkeiten, die sich hier als ungereimtheiten immerwieder auftauchen.
Immer wieder bekommt man dabei auch das gefühl, dass es der Uni eher ums Geld als um den Studenten an sich geht.
Beispiele:
- Im Wintersemester 08/09 wurden "ausversehen" 90 anstatt der sonst 55 Studenten zugelassen (alle zahlen Studiengebühren. Und ja, ich weiß, Studenten sind teuer, aber im 1. Semester muss musste man damals nicht zwangsläufig ins Labor und der Unterricht findet ja so oder so statt, ob nun mit 60 oder 90)
- einer Kommilitonin, die das erste Semester schon 3 mal wiederholt hat, wurde von der Studienberatung empfohlen, das Semester doch noch ein 4. Mal zu versuchen.
- Ein Dozent, der ein Labor betreut, stellt am Ende des Semesters eine Rechnung über beschädigte Glasgeräte. Benannte Glasgeräte waren schon zu Beginn des Praktikums beschädigt und wurden auch als solche gemeldet. Bei dem Versuch die Kosten über eine Glasversicherung laufen zu lassen, stellte sich Dozent quer und wollte weder die Originalrechnung, noch die Rechnung für die ersetzten Glasgeräte rausgeben. Das wirklich merkwürdige: genau die Rechnung wird allen Anscheins nach an jedes Semester gestellt, ohne das jemals was ersetzt wird...
Viele Komilitonen, die mittlerweile gewechselt haben (freiwillig, oder weil sie wegen Mathe gehen mussten) haben das nicht bereut und raten zum Wechsel.
Von den verbliebenen kenne ich keinen, der im Moment unbedingt zu Tübingen raten würde.
Positives an Tübingen:
-Die Semester sind mit ca.55 Studenten angenehm klein und man lernt sich schnell kennen.
-Die Bibliothek ist unheimlich gut bestückt. Die meisten Standartwerke gibt es in so großer Anzahl, dass jeder aus dem Semester eins bekommt. So muss man sich eigentlich kein Buch selber kaufen.
-es gibt zahlreiche Zeitschriften (DAZ, PZ, PtA-Heute etc.) zum mitnehmen
-die Hörsäle sind groß und mit Beamern bestückt (ist bei den Geisteswissenschaften nicht gang und gebe) und man bekommt in fast jedem Fach auch ein begleitenes Skript.
-die Mensa ist ganz gut (ist wichtig, wenn man von morgens bis abends im Labor steht)
-das Hörsaalzentrum und Institut liegen direkt beieinander und sind mit den Öffentlichen gut zu erreichen
Absoluter Pluspunkt:
Das erste Staatsexamen wurde durch ein alternatives Prüfungsverfahren ersetzt.
Das heißt der Ankreuztest fällt weg, dafür zählt jede Klausur mit der Note ins Staatsexamen und es gibt in Chemie eine benotete mündliche Prüfung nach dem 3. Semester. Da man bis zum normalen Staatsexamen eh alle Prüfungen bestehen muss, finde ich das eine gute Alternative.
Allerdings gehen mitlerweile Gerüchte rum, dass dieses Staatsexamen von anderen Unis nicht anerkannt wird. Dazu kann ich allerdings nichts sagen.
Das ist meine Sicht der Dinge nach zwei Jahren Tübingen.
Vielleicht hat aber auch jemand ganz andere Erfahrungen gemacht.