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Thema: Pharmazeutische Forschung

  1. #1
    Unregistriert
    Gast

    Pharmazeutische Forschung

    Hallo,

    habe für dieses Semester einen Studienplatz in Halle ergattern können. Pharmazie war eigentlich schon immer meine Traumvorstellung, vor allem weil ich mir erhofft habe, dadurch dann später mal in der Krebsforschung zu landen. Allerdings habe ich jetzt gehört, dass so gut wie kein Pharmazeut tatsächlich an der Entwicklung von neuen (Krebs-)Medikamenten beteiligt ist, sondern diese Aufgabe vor allem von Biochemiker, Medizinern, Biologen und Chemikern übernommen wird.

    Hat jmd. dies bezüglich Erfahrungen und kann mir sagen, ob ich mit diesem Vorhaben vllt. wirklich etwas anderes studieren sollte?

    LG

  2. #2
    Unregistriert
    Gast
    Zitat Zitat von Unregistriert Beitrag anzeigen
    Hat jmd. dies bezüglich Erfahrungen und kann mir sagen, ob ich mit diesem Vorhaben vllt. wirklich etwas anderes studieren sollte?
    Nicht unbedingt. Auch wenn du Chemie, Biochemie, Medizin oder was auch immer studierst, gibt es keine Garantie, dass du später im Berufsleben an (Krebs-)Medikamenten arbeiten darfst. Sind eh ungelegte Eier in deinem Fall. Sich so früh festzulegen hat keinen Sinn.

  3. #3
    Industriebiologe
    Gast
    Ich habe da gleich mal mehrere Fragen an dich:

    Wo genau hast du das gelesen, dass Pharmazeuten nicht an der Entwicklung von Medikamenten beteiligt sind?
    Und informiert man sich nicht eigentlich weit vor der Immatrikulation wo dich das Studium hinführt?
    Und wie klug ist es ein 5 jähriges Studium und eine 40 jährige Erwerbstätigkeit von deinen Interessen kurz nach dem Abi abhängig zu machen?

    Krebsforschung heißt, dass du die molekularbiologischen Mechanismen untersuchst, die zur Entstehung von Krebs führen. Das ist Grundlagenforschung und wird vor allem an Unikliniken und (außer)universitären Forschungseinrichtungen gemacht. Wenn ich mir so eine Arbeitsgruppe angucke, ist der Prof meist Mediziner und hat eine Horde Biologen und Biochemiker als Postdocs und Doktoranden. Diese machen die eigentliche Grundlagenforschung. Ich sehe aber kein Problem darin, wenn du dort als Pharmazeut auch arbeiten willst, das musst du mit der jeweiligen Arbeitsgruppe klären. In jedem Fall werden dir aber molekularbiologische Methodenkenntnisse fehlen, die du dir selbst aneignen musst. Zum Beispiel im Rahmen einer Diplomarbeit, die du ja in Halle schreiben kannst. Dann kann sich daraus gleich die Möglichkeit einer Promotionsstelle ergeben. (Das Pharmaziestudium vermittelt dir eher Kenntnisse der chemischen Analytik, diese sind aber in der Industrie bedeutend gefragter als mol.Bio-Kenntnisse). Nach der Promotion kannst du in die Industrie gehen und an Krebsmedikamenten forschen oder du bleibst an der Uni und machst als kettenbefristeter Postdoc Grundlagenforschung. Wenn du eine akademische Karriere anstrebst (wovon abgeraten sei) musst du, um eine Dauerstelle zu erhalten, faktisch Professor werden. Das heißt weltweite Flexibilität, Stress, Habilitation, Publikationsdruck, Ränke schmieden und A-Kricherei. Deine Chance auf eine unbefristete Stelle in der Akademia liegen im niedrigen einstelligen Prozent- bis Promillebereich. Der unfassbare Vorteil als Pharmazeut ist aber, dass du dich als gescheiterter 40-järiger Dr.rer.nat.habil. Akademiker immer noch in die Apotheke stellen kannst und deinen Lebensabend chillst. Ein Biologe/Biochemiker hat diese Möglichkeit nicht. Für diesen bleiben Quereinstieg Lehramt oder Pharmavertreter (was nach einer dreijährigen bezahlten Ausbildung zu erreichen wäre).
    Informiere dich zur Beschäftigungssituation in der Forschung an deutschen Hochschulen bevor du dich in deiner jugendlichen Naivität auf eine kurzsichtige Entscheidung mit langfristigen Folgen einlässt.
    Ich empfehle als Literatur:
    https://www.google.com/search?q=Forschung+prek%C3%A4r
    https://www.studis-online.de/Fragen-...hp?104,1546198
    https://www.bio-falle.info/

    Krebsmedikamentenforschung heißt, dass du Moleküle entwirfst und synthetisiert, die in Krebsentstehungsprozesse eingreifen. Sowas wird in erster Linie bei big Big Pharma gemacht. Wir reden hier von nicht mal 10% aller pharmazeutischer Unternehmen. Diese Stellen sind selten und extrem hart umkämpft. Hier gibt es über 1000 Bewerber auf eine Stelle. Dein Vorteil als Pharmazeut: du bist für QM, Herstellung, Zulassung wesentlich besser geeignet als die ganzen Nawis und du darfst durch die Approbation rechtlich auch mehr. Das ermöglicht es dir auch intern in der Firma leichter zu wechseln. Ich würde grob schätzen, dass es 10-mal mehr non-R&D-Stellen als R&D-Stellen gibt.
    Ich gebe es zu! Als Chemiker bist du für die Wirkstoffsynthesen vielleicht besser geeignet und als Biochemiker für Proteingedöns, ABER: Wenn du doch in die industrielle R&D willst, musst du dir noch ein paar Methoden aneignen, dann stehst du aber den anderen in nichts nach!

    Pharmazie und Medizin sind mit Sicherheit die beste Wahl, wenn du in die Forschung willst, weil sie dir mehr perspektiven außerhalb der Forschung geben. Deutschland braucht mehr Ärzte und Apotheker, aber mit Sicherheit keine Wissenschaftler.
    Da du von "Studienplatz ergattern" sprachst und das 2.AdH durch ist, geh ich mal davon aus, dass dein Abischnitt für Medizin nicht gereicht hat. Pharmazie ist sicherlich eine gute Wahl für die Forschung und außerhalb.

  4. #4
    Studi Avatar von Nachi
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    @IndustriebiologeDen Daumen hoch für Posts gibt es ja leider nicht, also mache ich das mit einem kleinen Beitrag. Vielen Danke für einen offenen und ehrlichen Beitrag. All zu oft sehe ich junge Studenten, die mit ihren großen Träumen in dieses Studium kommen und dann erst im Studium erfahren, wo es eigentlich hingehen soll oder das ihr Traum gar nicht so traumhaft ist. Ich selbst bin leider noch nicht im Beruf und konnte auf die Frage nicht (so ausführlich) antworten. Vielen Dank!

  5. #5
    Unregistriert
    Gast
    Hier muss man jetzt etwas differenzieren, was du genau machen willst:
    Allerdings habe ich jetzt gehört, dass so gut wie kein Pharmazeut tatsächlich an der Entwicklung von neuen (Krebs-)Medikamenten beteiligt ist, sondern diese Aufgabe vor allem von Biochemiker, Medizinern, Biologen und Chemikern übernommen wird.
    Hier geraten nämlich zwei Dinge durcheinander, möchtest du das Medikament, also das Arzneimittel herstellen, oder den Wirkstoff?

    Industriebiologe erläutert grob, wie man einen Wirkstoff entwickelt. In der Promotion kann man sich selbstverständlich mit solchen Sachem beschäftigen. In medizinischer Chemie macht sich daran Wirkstoffe zu synthetisieren (z.B. Prof Werz in Jena), oder im pharmakologischen Kontext kann man die Mechanismen der Krankheit näher untersuchen und beispielsweise neue Zielstrukturen für einen möglichen Wirkstoff entwickeln (z.B. Prof. Lukowski in Tübingen). Wobei die pharmakologische forschung genauso in einer Uniklinik stattfinden kann, evtl. sogar zu empfehlen, weil die mediziner meist deutlich mehr Gelder zur Verfügung haben, besser und moderner ausgestattet sind und einem eher die Möglichekit bieten können akademisch Fuß zu fassen.

    Wenn du ein Medikament entwickeln möchtest, wo es letztlich darum geht den (neuen) Wirkstoff in seine entsprechende Applikationsform (Tablette etc.) zu überführen, dann ist das wirklich die Kernkompetenz der Apotheker und findet sich unter dem Dach der pharmazeutischen technologie wieder. Je nach Applikationsform haben die Unis dann schwerpunkte:
    Halbfeste Arzneiformen (Salbe, Cremes usw.) in Tübingen und Braunschweig, feste Arzneiformen (Tabletten, etc) in Halle, Bonn und Düsseldorf, Proteine in Heidelberg und Impfstoffe im Saarland.

    Wie sieht es aber nach der promotion aus? Hier muss man sich einfach mal die gesamtlage vor Augen halten: es gibt nur sehr wenige Firmen die noch aktiv an neuen Wirkstoffen forschen, der Großteil (vor allem auf dem deutschen Markt) sind Generika-Hersteller, die einen gewissen Zeitraum des patentschutzes abwarten und danach ein ähnliches Präperat auf den Markt bringen, nur zu viel günstigeren Konditionen, weil sie eben keine Forschungsinvestitionen mehr erwirtschaften müssen. D.h hier findet überhaupt keine molekulare grundlagenforschung im Hinblick auf neue Wirkstoffe statt, wohl aber die Entwicklung neuer Arzneimittel. kurz und knapp: Pharmazeutische Technologen werden hier gebraucht, auch in größeren Mengen; klassische Wissenschaftler eher weniger.
    D.h die klassische Forschung findet hauptsächlich an Universitäten statt. Wenn man also in Richtung Wirkstoffe gehen möchte, läuft es fast immer auf eine akademische Karriere hinaus, mit den Risiken, dass man mit Anfang 40 keine Festanstellung ergattern konnte und sich umorientieren muss (Pharmavertreter etc.).

  6. #6
    Unregistriert
    Gast
    Ich möchte meinem Vorredner hier beipflichten. Du musst ganz klar unterscheiden ob du in die Grundlagenforschung möchtest, oder in der Industrie in die R&D-Abteilung. Ersteres würde ich wirklich nicht empfehlen, außer es ist dein absoluter Traum. Für eine akademische Karriere brauchst du top Noten und sehr gute Referenzen und selbst dann ist die Chance sehr gering irgendwann mal einen Lehrstuhl zu führen.

    In der Industrie wird ein Arzneistoff bzw. ein Arzneimittel normal in folgenden Schritten entwickelt:

    1. Identifizieren und Isolieren eines molekularen Targets: Hier arbeiten hauptsächlich Biologen, Biochemiker, Molekular Mediziner

    2. Allgemeine Stofffindung: Das erledigt in der Regel ein Computer bzw. ein Roborter im Highthroughput-Screening

    3. Chemische Synthese von Wirkstoffkandidaten: Hier arbeiten hauptsächlich Chemiker, allerdings kannst du als spezialisierter Pharmazeut hier auch fußfassen (Promotion in medizinischer Chemie)

    4. Präformulierung: Hier arbeiten viele unterschiedliche Bereiche. Biologen, Biochemiker, Mediziner, Tierärzte, Pharmazeuten...

    5. Galenische Entwicklung: Hier arbeiten fast ausschließlich Pharmazeuten

    6. Klinische Studien/Zulassung: Hier arbeiten auch viele Mediziner und Pharmazeuten


    Jetzt musst du entscheiden wo du mit deinem Studium hinwillst. Geht es dir wirklich darum auf molekularer Ebene an der Entstehung von Krebs zu forschen, dann bleibt nur die Grundlagenforschung an Uni(Klinik) und Instituten.
    Willst du ein Krebsmedikament entwickeln, dann solltest du in Technologie/Biopharmazie promovieren und in die galenische Entwicklung gehen. Dort kommt man auch ganz gut unter, da fast ausschließlich Apotheker gesucht werden und der Großteil von uns eh nicht promoviert sondern in die Offizin geht. Da hast du es mit Halle eigentlich sehr gut getroffen, da sowohl Professor Mäder, als auch Professor Dailey auf innovative Arzneiformen spezialisiert sind und sehr gute Kontakte in die Industrie haben.

    Allerdings find ich es noch etwas früh von dir sich darüber Gedanken zu machen. Viele stellen sich die Forschung viel spannender vor als sie eigentlich ist. Außerdem muss dir klar sein, dass du in der Industrie zu über 90% einen Schreibtischjob haben wirst, egal welche Abeitlung. Apotheker sind in der Regel viel zu teuer um sie ins Labor zu stellen. Warte erst mal das Studium ab, mach dein PJ in der Industrie, schreib eine Diplomarbeit, dann wirst du sehen ob dir diese Richtung liegt.

  7. #7
    Unregistriert
    Gast
    Danke an die beiden Unregistrierten für ihren fachkundigen Beitrag! Seid ihr Apotheker in der Industrie?

  8. #8
    Unregistriert
    Gast
    Studier lieber Medizin, da kommst du einfacher in die Onkologie bzw. es ist besser planbar und weniger glücksabhängig.

  9. #9
    Unregistriert
    Gast
    Mal davon ab, werden sicher einige (vllt sogar die meisten?) Onkologika der Zukunft eher Antikörper sein oder andere biotechnisch erzeugte Medikamente sein (z.B. CART-T-System), deren Komplexität des Pharmaziestudium gar nicht abbildet. Hier wäre sicher ein anderer Studiengang eher zielführend, wenn man wirklich richtig forschen will.

  10. #10
    Unregistriert
    Gast
    Zitat Zitat von Unregistriert Beitrag anzeigen
    Hier wäre sicher ein anderer Studiengang eher zielführend, wenn man wirklich richtig forschen will.
    Pharmazeuten forschen also "nicht richtig"?

    Da der Threadersteller anscheinend ein Studienplatz in Pharmazie "ergattern" konnte und das auch noch in Halle, schließe ich mich mal der Spekulation an, dass der NC Medizin wahrscheinlich nicht hergeben wird. Biochemie vermutlich auch nicht. Und ob Chemie oder Biologie dem Threadersteller eher zu empfehlen ist als Pharmazie? Mit Blick auf den Arbeitsmarkt eher nicht. Wurde ja vom Industriebiologen schon angesprochen.

    Ich warte ja noch darauf, dass der Kollege wieder aus seinem Loch kommt, der angeblich einen kennt, der einen doppelten Promovierten kennt, der gesagt haben soll, dass Pharmazie "voll mit Scheiße sei" und das hier mit einer gewissen Regelmäßigkeit kundtut.

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