Hallo liebes Forum!
Ich, nun PJler in der zweiten Hälfte, spiele seit ungefähr einem Jahr konkret mit dem Gedanken Medizin zu studieren.
Da ich echt nicht mehr weiterweiß und langsam das Gefühl habe depressiv zu werden, weil mein Alltag mich null motiviert, wollte ich mir, falls ihr ein offenes Ohr und Zeit habt, euren Rat einholen.
WARNING: Es wird lang. Sehr lang. Da hat sich vieles angestaut, was einfach mal raus muss.
Also:
Das Pharmaziestudium war für mich die Hölle auf Erden - von den meisten Leuten in der Lehre, bis hin zu den meiner Meinung nach inhumanen Anforderungen an uns im Curriculum. Dabei war ich leider (!) wirklich nicht so schlecht, um das kurz vorweg zu nehmen. (Regelstudienzeit, 1. StEx eine 2,75; Eine 1.2 im zweiten StEx.)
Promotionsangebote habe ich zwei bekommen, eins habe ich angenommen mit einer Mischung von wirklichem Interesse und Begeisterung, aber auch Hoffnung dass dann alles besser wird. Noch ist nichts unterschrieben, aber das Treffen mit dem betreuenden PostDoc steht bald an.
Es lag mir schon irgendwo, bzw. liegt noch, mich naturwissenschaftlich mit medizinischen Themen auseinanderzusetzen. Aber die meiste Zeit hat es sich für mich angefühlt wie die kleinkariertesten Sachen auswendig zu lernen, nur damit man es in der Klausur bzw. im zweiten StEx auskotzen kann. Und fertig.
90% des Studiums scheinen mir schrecklich irrelevant für den Offizinalltag und ich fühle mich deutlich überqualifiziert seit ich jetzt hier bin (War vorher in der Industrie). Dass meine approbierten Kollegen in der Apo auch so auf Verkauf und null Beratung aus sind verschreckt mich sehr und vermittelt den Leuten, dass wir nichts drauf hätten. Leitlinengerechtes Beraten ist nicht wirklich möglich, ja. Aber bisschen was kann man doch wohl fragen.
Bei wirklich einfachen Fragen verweisen diese auch einfach an den Arzt, nur weil es nicht vergütet wird extra zu beraten.
Mir wurde schon zweimal wortwörtlich gesagt, dass ich aufhören soll zu Beraten und zu erklären und stattdessen Zusatzverkäufe machen soll. Woraufhin mir fast die Tränen vor Frustration kommen um Ehrlich zu sein, weil ich mein Leben mit diesem Studium gefühlt für NICHTS verschwendet habe.
Ich verstehe mich als Heilberufler und Naturwissenschaftler. Das macht uns doch aus oder nicht? Und trotzdem werden wir von keinem wirklich geschätzt oder ernst genommen.
Die einzige Qualifikation, wo man vor allem in der Industrie auf uns zurückkam war Techno. Naja und ratet mal wessen absolutes Hassfach Techno war?
Alles andere, vor allem Pharmako, hat mir irgendwo Spaß gemacht, sogar Pflanzenzeugs, aber mit Techno konnte man mich jagen. Dass GENAU das unser Markenzeichen ist, wurde mir spätestens im Hauptstudium bewusst; aber mal ehrlich, wenn man irgendwie durchkommt, würde doch keiner so spät abbrechen, oder?
Insgeheim habe ich immer darauf gewartet irgendwo durchzufallen, und nen cut zu machen. Im dritten Semester war ich kurz davor und hab tatsächlich abgebrochen gehabt, bis meine Kommilitonen mich weich gekriegt hatten nach zwei Wochen (Fehlstunden im Labor hatte ich irgendwie keine...) und ich zurückkam in das Institut der Hölle.
Naja und dann hab ich halt durchgezogen, ehrgeizgetrieben wie ich leider bin.
Und jetzt, da der Lernstress lange weg ist und ich die Zeit habe nachzudenken, wird mir umso mehr klar, was ich schon vor fünf Jahren fast wusste: Pharmazie war ein riesen Fehler und ist den immensen Aufwand, der jedes mir bekannte Studium übersteigt, NICHT WERT. Meiner Meinung nach zumindest.
Es stimmt zwar; Offizin konnte ich mir nie wirklich vorstellen für mich. Eher Lehre bzw. Forschung vor allem. Aber das wird mir auch zunehmendst unattraktiver, vor allem in unserer unterfinanzierten Uni (hab natürlich mit einigen Promovenden geredet).
Und da das jetzt also auch langsam schwindet, habe ich irgendwie nichts mehr, was ich machen will als Apotheker.
-> Warum dann Medizin?
Der Wunsch war schon immer da - wie bei vielen aber in meinem Semester. Nur einige finden sich damit besser ab als ich scheint mir. Der Grund ist, dass ich es quasi first-hand durch meinen Verlobten mitbekomme, der im 8. Semester jetzt ist. Und das, was er lernt, finde ich viel relevanter und interessanter für die anzustrebende Profession.
Und irgendwo ist der Arzt eben doch über uns gestellt und hat Therapiehoheit, vor allem hier in Deutschland. Und das frustriert mich mit am meisten, weil unser ganzes klinisches Wissen unter den Teppich gekehrt wird - und die meisten finden das völlig gut so!
Ich mag aber den Patientenkontakt, höre ihnen gerne zu und bin sehr daran interessiert das richtige Arzneimittel aus unserem Repertoire zu wählen. Und genau deswegen denke ich, dass der Beruf des Arztes mir vielleicht eher entspricht. Industrie oder Forschung vor allem war meine Alternative immer, aber ich merke, dass ich wirklich "heilen" will.
Was das Medizinstudium angeht, seh ich da wenig Probleme für uns.
Stress hat er z.B. seit der Klinik (Post 1. StEx also) auch nicht wirklich. Paar Stunden die Woche Seminare, sonst nur Vorlesungen, die aber wohl auch komplett online gestellt werden ohne Lücken etc.. Er hat also ein richtiges Studentenleben, etwas was wir z.B. nicht eine Sekunde hatten durch die Labore.
Es ist zwar stofflich mehr, aber man kriegt auch echt die Zeit gegeben zum Lernen, statt bis eine Woche vor den Klausuren Stas-Ottos zu schütteln oder so.
Und gerade im Alltag jetzt kotzt es mich so dermaßen an, dass uns null Vertrauen gespendet wird und wir überwiegend auf die Dienstleistung der Abgabe reduziert werden. Vielleicht habe ich ein unrepräsentatives Kollektiv von Patienten bei uns, oder "unmotivierte" Kollegen. Aber egal wen man erzählt, dass man hierfür hart studieren muss: Glauben tun das nur wenige sofort.
Es mag sein, dass der Großteil von uns damit okay ist. Meine Freunde haben schon Filialleitungen im Blick, oder angestellt werden in der PJ-Apotheke. Es freut mich sehr für sie, sie scheinen angekommen zu sein im Berufsleben!
Ich aber habe das Gefühl Lebenszeit, Nerven und geistige Gesundheit verschwendet zu haben für nichts und wieder nichts. Ich kann mich nichtmal motivieren für's dritte StEx irgendwas zu machen, und dabei hab ich eigentlich echt gerne gelernt wenn man die Zeit hatte. Aber alles was den apothekerlichen Alltag irgendwie betrifft, nervt mich total.
Meine Fragen nun:
Hat jemand von euch diesen Schritt gewagt?
Was sind eure Erfahrungen?
Warum habt ihr nach Pharmazie nochmal einen Mammutstudiengang euch zugetraut?
Und wie sehr nützt unser Vorwissen wirklich? Lassen sich Fächer anrechnen?
Kann man zeitlich, vor allem in der Vorklinik, nebenbei als Apotheker etwas jobben?
Wie sehen die Chancen aus reinzukommen? Ist ja dann über Zweitstudiumsquote, hat das überhaupt Aussicht auf Erfolg?
Warum ich doch hadere ist einfach der Umstand, dass nochmal drei Staatsexamina jetzt auch nicht so geil sind und man eben 6 Jahre inkl. PJ wieder studiert. Und dann kommt ja noch der Facharzt. Mit meinen 23 Jahren bin ich außerdem nicht gerade jung im Vergleich. Und das Stigma des ewigen Studenten, welches mir dann vor allem meine Familie auferlergen wird, wird die Sache auch nicht einfacher machen.
So genug erstmal.
Wer bis hierhin gelesen hat, dem danke ich vielmals! Ich würde mich sehr über hilfreiche Kommentare freuen, da ich wirklich nicht weiterweiß und momentan extrem sensibel bin, wenn es um dieses Thema geht. Vielleicht kann mir jemand von euch nen Wink in die richtige Richtung weisen, oder gar mir Lust machen doch Apotheker einfach zu bleiben und erstmal zu promovieren. xD