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Thema: Homöopathie und Apotheke....again

  1. #1
    Erfahrener Benutzer Avatar von Thomas
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    Homöopathie und Apotheke....again

    Ich lese jetzt in letzter Zeit verstärkt Berichte von Menschen, denen in der Apotheke empfohlen wurde homöopathische Arzneimittel gegen ihre Beschwerden einzunehmen. Ehrlich gesagt macht mich das traurig und wütend. Deswegen jetzt mal meine Ausführung hier zum Thema.

    Jeder Apotheker lernt im Studium, das aus wissenschaftlicher Sicht die Homöopathie keinen Nutzen hat. Das ist ja auch keine Propaganda, sondern einfach der momentane Stand der Wissenschaft. Ich verlange ja nicht, dass die Apotheker sich nun als Kreuzritter gegen Alternativmedizin aufschwingen, aber eine kritische Distanz zu den Methoden die nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechen sollten doch gewahrt bleiben oder? Die Menschen vertrauen uns in der Apotheke ihre Sorgen und Krankheiten an, weil sie hoffen von einem naturwissenschaftlich geschulten Personal Hilfestellung zu erhalten. In diesem Zusammenhang sie auf Pfaden der Alternativmedizin zu ziehen finde ich sehr grenzwertig.

    Um eins klarzustellen, wenn jemand ein homöopathisches Arzneimittel verlangt oder eine homöopathische Therapie möchte, dann sollten wir ihm sicher dabei nach bestem Wissen und Gewissen helfen...aber wenn jemand uns seine Probleme schildert(und nicht den Wunsch einer homöopathischen Behandlung äussert), ihn zu homöopathischen Therapieformen zu raten? Das finde ich nicht ok!

    Sicher ich weiß es gibt viele die daran glauben und es hat ja auch bei dem Freund des Freundes, des Cousin 4. Grades funktioniert, aber es ist nunmal auch eine Glaubenssache und wissenschaftlich nicht bewiesen. Ein Versuch die Leute von dem Profit einer homöopathischen Arzneiform zu überzeugen, ist für mich wie der Versuch ihn zu missionieren. Das ist nicht unsere Aufgabe und sollte es auch aus guten Gründen nicht sein.

    Wie steht ihr dazu?

  2. #2
    wendelin40
    Gast

    Nach 30 Berufsjahren

    in der Offizin neben einem Heilpraktiker wirst Du auch anders denken. Wer heilt hat Erfolg... Ich habe die tollsten Erfolge mit Homoöpathie geseh
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  3. #3
    Unregistriert
    Gast
    Die Kraft der Gedanken halt ... wenn ich in der Apo stehe, empfehle ich fast nie Homoöpathie. Ich kann ja nix verkaufen, von dem ich selbst nicht überzeugt bin. Ich hab sowas selbst ausprobiert und es hat nicht geholfen...
    was ziemlich wichtig ist, meiner Meinung nach, dass man weiß, wann man die Patienten wirklich auch zu einem richtigen Arzt schicken muss!

  4. #4
    Erfahrener Benutzer Avatar von Thomas
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    Pharmaziestudent seit 2010
    in der Offizin neben einem Heilpraktiker wirst Du auch anders denken. Wer heilt hat Erfolg... Ich habe die tollsten Erfolge mit Homoöpathie geseh
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    Wisst ihr, das sind Argumente die nicht ziehen. Soll ich darauf erwidern, dass ihr beim ersten Fall eines verstorbenen Kindes, dass homöopathisch behandelt wurde, anstatt gegen Masern geimpft zu werden anders denken werdet?

    Es geht hier doch nicht um Bauchgefühle oder ähnliches, sicher kann einem das Bauchgefühl sagen "Hey das Zeug hat da offensichtlich geholfen", aber basierend auf welchem Wissen kann hieraus eine Empfehlung ausgesprochen werden? Es soll ja auch niemanden etwas ausgeredet werden, es geht hierum wie ein Apotheker sich verhalten sollte. Mit welcher Legitimation kann ein Apotheker eine homöopathische Behandlung empfehlen, darum geht es doch! Um dein Argument ein wenig ernstzunehmen, sage ich mal Du möchtest hiermit die persönliche Erfahrung ins Gespräch bringen. Aber reicht die persönliche Erfahrung? Wisst ihr ob die homöopathischen "Erfolge" nicht parallel eine konventionelle medizinische Behandlung erfahren habt? Könnt ihr Placeboeffekt oder Selbstheilung ausschließen?
    Geändert von Thomas (10.08.2012 um 13:46 Uhr)

  5. #5
    Unregistriert
    Gast
    Hey Thomas!
    Ich schreibe ab und zu mal kleine "Artikel" über Themen, bei denen viele sich nicht auskennen, auch wenn Sie sich damit beschäftigt haben.
    Vielleicht hilft es dir das Thema in seiner Bedeutung richtig einzuordnen und Chancen/Gefahren zu erkennen.

    "Eigentlich wollte ich ja regelmäßig etwas schreiben, jetzt sind fast 6 Monate vergangen... Es wird also mal Zeit. Um mein Trauma von gestern aufzuarbeiten, möchte ich mal einen kurzen, sehr persönlichen, Überblick geben, was Homöopathie bewirken kann und wo* sie ihre Grenzen hat.

    Um nicht gleich alle zu verschrecken, ein kurzer Abriss, was Homöopathie eigentlich bedeutet:

    Von Herr Hahnemann um 1800 erfunden, lag dieser seine Idee zugrunde, dass Symptome, die durch eine Krankheit ausgelöst werden, ein Ruf vom Körper darstellen, von Stoffen geheilt werden zu wollen, die diese Symptome ebenfalls auslösen. Daher der bekannte Satz: "Ähnliches mit Ähnlichem heilen" (nicht zu verwechseln mit der Isopathie: "Gleiches durch Gleiches heilen.").

    Wie sieht das Ganze also in der Praxis aus? Ich leide unter hohem Fieber und brauche nun etwas, das Fieber auslöst. Da bietet sich eine Vielzahl an Substanzen an, wie z.B. Chinarinde, Belladonna oder Arnica. Würde ich, da es sich in diesen Fällen um lauter Pflanzen handelt, auf den Blättern/Früchten/Rinden rumkauen, wäre mir ein Krankenhausaufenthalt sicher. Denn dies sind alles hochgiftige Pflanzen, die so niemals eingenommen werden dürfen. *Dessen war sich Herr Hahnemann bewusst (auch wenn man natürlich erstmal alles in seiner Reinform ausprobieren musste, um zu wissen, was für eine Wirkung die Substanz vermittelt), aber er wollte die Homöopathie nicht gleich den Bach runter gehen lassen. Also führte er eine Form der Potenzierung ein, die nichts mit dem wissenschaftlichen Pendant zu tun hat, sondern eher ihr Gegenteil beschreibt.* Er verdünnte die ursprüngliche Substanz* und behauptet, der Verdünnung entsprechend nähme die pharmakologische Wirksamkeit zu. Die Potenzierung nach Herrn Hahnemann* bezieht sich also auf die* Wirksteigerung durch Verdünnung, bis aus naturwissenschaftlicher Sichtweise letztlich keine Substanz mehr nachweisbar ist. Diese Verdünnungsschritte werden folgerichtig* Potenzen genannt, von denen man vielleicht schon gehört hat. Klassiker sind D6, C30 oder LM 12. Die Buchstaben kommen aus dem Lateinischen, D=decem=10, C=centum=100, etc.* Da bedeutet D6 => Substanz um Faktor 10 (1g Substanz mit 10g Lösungsmittel verdünnen, aus der Verdünnung 1g wieder mit 10g Lösungsmittel...) 6 mal verdünnen. Je öfter und je stärker man also verdünnt, umso stärker die Wirkung. Sprich D6 < C30 < LM 12*

    So ist die eigentliche giftige Pflanze soweit entschärft worden, dass keine Gefahr mehr von ihr ausgeht. Die heilsame Wirkung bleibt allerdings erhalten und wird massiv gesteigert. Dies wird unter anderem auch mit einer "Erinnerungsfähigkeit" des Wassers gekoppelt, die Dr. Hirschhausen sehr ansehnlich beschreibt: Wenn *jetzt also ein Mammut vor 10000 Jahren ins Wasser gepisst hat, erinnert sich das Wasser daran...? Prost!

    Aus naturwissenschaftlicher Sicht totaler Unfug. Mag sein, dass wir nicht in der Lage sind, die Homöopathie momentan aus Sicht der Naturwissenschaft zu erfassen, aber spekulative Theorien sollten nicht mit einem solchen Argument gerechtfertigt werden.

    Nun kommen immer wieder Schwangere, Eltern mit Säuglingen, sehr Alte in die Apotheke und wollen ihre Probleme mit Hilfe der Homöopathie lösen. Trotz meiner kritischen Haltung (denn es gibt keine einzige zu 100% korrekt durchgeführte Studie, die beweist, dass die Wirkung von z.b. Globuli [Streukügelchen, nach den Künsten der Homöopathie potenziert] denen eines Placebos [Streukügelchen, ohne Potenzierung] überlegen wären. Wer was anderes sagt, lügt leider.) empfinde ich die Homöopathie als geeignetes therapeutisches Mittel. Zwar können auch homöopathische Mittel Nebenwirkungen auslösen (ein so genannter Nocebo-Effekt), diese sind aber sehr überschaubar. Durch die intensive Beratung und das ganz konkrete Eingehen auf das Problem des Patienten (inkl. der seelischen Verfassung!!) fühlt dieser sich ernst genommen, und allein dieser Umstand lässt viele Leiden verschwinden. Wer schon mal bei einem Naturheilkundler war, der weiß, 1,5 Std. nur für die Anamnese, der nimmt mich wirklich wahr! Beim Schulmediziner hat man Glück, wenn er einem ohne Unterbrechung mal 10 Minuten zuhört. Vielleicht auch nur, weil er vor Übermüdung eingeschlafen ist. Tja, Geld regiert die Welt. Der Arzt bekommt nun mal einmalig eine Pauschale ( pro Quartal!!! Also egal ob Sie 1 mal oder 20 mal im Quartal auftauchen), egal ob er sich 5 Minuten Ihr Leid anhört oder 1 Stunde. Dem Naturheilkundler zahlen Sie das Geld bar auf die Kralle und zwar für jede einzelne Minute. Bieten Sie das mal Ihrem Arzt an... Ach ja, Privatpatienten machen das. Warum die nie auf einen freien Termin warten müssen und sich besser behandelt fühlen...?

    Wie dem auch sei, die Homöopathie bietet also gerade Patienten, die sehr empfindlich auf pharmakologische Eingriffe (d.h. nachweislich wirksame Medikamente) reagieren, eine super Alternative. Ob Säuglinge mit Zahnungsschmerzen, Stillende mit Einschlafschwierigkeiten oder Omas mit Schwindel. Man kann über die Homöopathie eine Heilung/Linderung erreichen, ohne das Risiko einzugehen, unerwünschte Nebenwirkungen mit lebensgefährlichem Ausgang zu riskieren.

    Nun gibt es aber leider auch unter den gemäßigten Homöopathen Spezialisten, die denken, man könne eine Osteoporose, einen Herzinfarkt oder gar Krebs mittels Homöopathie heilen. Und als Fachleute sollten sie ganz klar die Grenzen ihrer Heilkünste kennen und eine Lenkfunktion erfüllen.*

    Mir läuft es kalt den Rücken runter, wenn eine Mutter ihrer 7-Jährigen Tochter für ihre offensichtliche Blasenentzündung ausschließlich Homöopathika geben möchte. "Meine Homöopathin meinte..." Bullshit, sie riskiert die Nieren ihrer Tochter und sogar ihr Leben! Oder eine Oma, die sich nur durch Misteltherapie behandeln lassen will... Für ihren Brustkrebs!*

    Ich bin, obwohl ich ein "Fast"-Apotheker bin, kein Freund der ständigen und "Viel hilft viel" Tablettengabe. Lieber gezieltes Einsetzen von Sinnvollem und Wirkungsvollem. Auf Wunsch kann ich auch mal noch was Erfinderisches drauflegen, aber das sollte man immer zu 100% verantworten können.*

    Also, lasst euch gerne in der Apotheke oder sonst wo zur Homöopathie (oder was es sonst noch gibt, Bachblüten/Nosoden/anthroposophische Medizin) beraten und eure Alltagsbeschwerden behandeln. Aber bleibt mit beiden Füßen auf dem Boden und wisst, wo eine Grenze zu ziehen ist. Im Zweifel immer mehrere fragen, jeder denkt nämlich, er hat Recht, zu beraten. Und ich ganz bestimmt!

    *

    Es ist sehr wahrscheinlich einiges zu kurz und vieles nicht genannt worden, was wichtig gewesen wäre. Es soll ein erster Rundumschlag sein, der Lust auf mehr macht, oder man sagt sich: "Wußt ich nicht, wollt ich nicht wissen... Und schon hab ich's vergessen!"

  6. #6
    Unregistriert
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    ok

    Bravo Thomas! Ich kann dir nur recht geben. Mit besten Grüssen, Kappeler, Apotheke Schaffhauserplatz, Zürich.

  7. #7
    Erfahrener Benutzer
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    Ich bin selber großer Homöopathie-"Fan", da ich selber schon diverse gute Erfahrungen damit machen konnte (bei mir selber, bei Verwandten und Freunden und auch bei Tieren), aber diesen Satz hier finde ich auch sehr wichtig:

    Aber bleibt mit beiden Füßen auf dem Boden und wisst, wo eine Grenze zu ziehen ist
    Ich finde Misteltherapie oder auch Tarantula als Ergänzung bei krebskranken Tieren, bei denen keine andere Behandlung mehr möglich ist, durchaus sinnvoll, um zumindest noch einen Versuch zu wagen.

    Aber bei ernsthaften Erkrankungen, bei denen eine klassische Behandlung möglich ist, sollte die Homöopathie höchstens ergänzend eingesetzt werden und nicht als Mittel der Wahl.
    Ich bin ja nun selber noch nicht in der Apotheke, könnte mir aber vorstellen, Homöopathie ergänzend zu klassischen Medikamenten zu empfehlen. Mal sehen, wie das nach dem Hauptstudium aussieht.

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